Peer-2-Peer-Kredite: Darlehen von mir und dir statt von der Bank

Dass Banken das personifizierte, äh institutionalisierte Böse sind, und gesellschaftlich hoffentlich nur deswegen akzeptiert sind, weil wir sie gelegentlich doch brauchen, muss ich vermutlich nicht näher erläutern*. Doch unsere Abhängigkeit von Banken bröckelt, denn wer einen Privatkredit braucht, der muss sich, seit es Peer-to-Peer-Kredite gibt, nicht mehr zwangsläufig als Bittsteller an ein kapitalstarkes Kreditinstitut wenden. Stattdessen können sich dutzende oder hunderte von Kleinanlegern aus der „Crowd“ zusammentun und den Betrag gemeinsam finanzieren.

I would not be here on my knees
But hey, mister banker
It means so much to me
Oh, won’t you reconsider, mister
Won’t you do this thing for me
Lynyrd Skynyrd: Mr. Banker
(Legend, 1987; Text: Ronnie Van Zant, Gary Rossington)

Ich habe als einer dieser Anleger auf einer solchen Plattform Erfahrungen gesammelt und sehe eine gute Idee mit großem Potential, aber auch ein – mutmaßlich überwindbares – Henne-Ei-Problem.

Anbieter

auxmoney_logo_300dpi_600x173_weissIn Deutschland gab es bis vor Kurzem zwei etablierte Plattformen, Auxmoney und Smava. Letzteres stellte für mich als potentiellen Klein(st)anleger schon wegen der Konditionen, etwa mit Mindestanlagesummen von 250 Euro (pro Kredit, wobei sich aus Gründen der Ausfallrisikoabsicherung eine Verteilung des Investments auf möglichst viele Kreditprojekte dringend empfiehlt), keine attraktive Option dar. Inzwischen wendet sich Smava ohnehin vom „Social Lending“ hin zur Kreditvermittlung von klassischen Banken. Bäh. Bei Auxmoney gefiel mir die Kreditnehmerseite nicht sonderlich (auch wenn viele von denen das offenbar anders sehen – hier gab und gibt es die meisten Kreditprojekte), denn zu einer recht hohen prozentualen Gebühr kommen hier eine fixe monatliche und eine fixe jährliche Gebühr, zudem läuft die Gebotsphase psychologisch lange 20 Tage, auch wenn die Finanzierung natürlich schneller abgeschlossen sein kann. Aber vor allem sieht die Website aus wie die meiner heimatlichen Volksbank früher (aber die haben inzwischen etwas aufgeräumt) und ließ mir viel zu viele Fragen offen.
Lendico_Web
Der Newcomer im Markt, Lendico**, hat mich schließlich vor einigen Wochen überzeugt, erstmals überhaupt in irgendeine Form der Geldanlage zu investieren. Hier passen nicht nur die Grundkonditionen (Anlage ab 25 Euro pro Kredit, Kreditgebühren für Anleger ab 0,5 %, bei Darlehenszinsen ab 2,99 %) und es gibt eine sehr übersichtliche Website, die meine zahlreichen Fragen beantwortet hat, sondern zur Einführung des Dienstes derzeit auch noch ein paar attraktive Sonderkonditionen: Lendico legt aus eigener Tasche zwei Prozentpunkte auf den Darlehenszins drauf, so dass etwa ein Kredit, für den der Kreditnehmer 12,35 % Zinsen zahlt, dem Investor 14,35 % Rendite bringt, abzüglich freilich der 1 % Servicegebühr, die Lendico, wie die Mitbewerber, von jeder Rückzahlung einbehält. Und wer ein sogenanntes Premium-Konto eröffnet (das trotz des Namens wie das schnell und unverbindlich eingerichtete Starter-Konto kostenlos ist), der erhält derzeit eine Gutschrift von 50 Euro. Auch Kreditnehmer bekommen im Moment übrigens eine Bonus-Gutschrift von 50 Euro, was bei kleinen Kreditbeträgen und kurzen Laufzeiten de facto durchaus einen Zinsnachlass von einigen Prozent bedeutet.

Potential

Geld

Symbolbild: Geld,
hier mal etwas genauer betrachtet

Foto: Kevin Dooley (Paper money, extreme macro)
CC-BY 2.0

Nun ist Lendico stolz darauf, durch strenge Prüfung 90 % der Kreditanträge von vorneherein abzulehnen. Das ist nicht nur für die Anleger zunächst von Vorteil, gibt es ihnen doch mehr Sicherheit durch geringeres Ausfallrisiko, sondern auch für die Kreditnehmer, die, wenn sie diese Prüfung bestanden haben, gute Chancen haben sollten, dass das Projekt auch tatsächlich finanziert wird, weil die Anleger eben recht wenig Grund zur Skepsis haben müssen, so dass man dann nicht nach 14 Tagen Wartezeit doch wieder ohne Geld dasteht.
Als Nachteil dieser Politik plus dem Fakt, dass die Lendico-Plattform erst ein halbes Jahr am Start und noch kaum bekannt ist, ergibt sich jedoch leider das eingangs erwähnte Henne-Ei-Problem: Der Anleger hat bei Lendico zwar schöne Filtermöglichkeiten bei der Suche nach Kreditprojekten und einen automatischen Anlage-Manager, der ihm je nach gewünschter Anlagestrategie („konservativ“ bis „offensiv“) und Anlagebetrag ein Portfolio vorschlägt, aber das nützt ihm wenig, wenn es insgesamt nur 20 Kreditprojekte zur Auswahl gibt (wir erinnern uns an die Regel Nr. 1 beim „Crowd-Lending“: Das Geld auf möglichst viele Projekte streuen, um am Ende nicht die Hälfte des Investments zu verlieren, weil ausgerechnet der eine Kredit ausfällt). Dem Kreditnehmer könnte das ja egal sein, aber wenn deswegen die Anleger schnell wieder das Interesse an Lendico verlieren, dann kriegt er seinen Kredit nicht finanziert, was dann für die Anleger wiederum bedeutet, dass die Zahl der erfolgreichen Investments weiter sinkt, usw.
So habe ich in anderthalb Monaten bei täglichem Login zwar immerhin 81 Kreditprojekte gefunden, die ich unterstützen wollte, aber bei 56 davon kam die Finanzierung letztlich nicht zustande, und bei 13 läuft entweder die Gebotsphase oder die abschließende Prüfung der Unterlagen durch Lendico noch, das Ergebnis ist also offen. Erfolgreich anlegen konnte ich also bislang erst bei zwölf Kreditprojekten.

Ich halte Lendico aber für eine gute Sache, und bin zuversichtlich, dass sich diese Umstände ändern werden (zumal, ganz so krass ist es freilich nicht, es kommen täglich mehrere Kreditprojekte rein und darunter ist schon dank der algorithmischen Vorfilterung der untauglichen Anträge praktisch nichts, in das man nicht halbwegs guten Gewissens investieren könnte). Zum einen dürfte sich die Bekanntheit mit der Zeit steigern (dafür sollte auch etwa der TV-Spot sorgen, der mich auf Lendico aufmerksam gemacht hat), zum anderen ist Lendico fleißig dabei, in internationale Märkte zu expandieren, was, so hat man mir am Telefon erläutert, den Anlegern mittelfristig die Möglichkeit eröffnen soll, auch in polnische oder südafrikanische Kreditprojekte zu investieren (und damit nicht nur von der größeren Auswahl, sondern ggf. auch vom unterschiedlichen Zinsniveau zu profitieren).

Abgesehen davon also, dass ich erst zu einer Handvoll erfolgreichen Investments gekommen bin (erfolgreich heißt hier natürlich erstmal nur: Der Kredit wurde ausgezahlt, ob er auch wieder reinkommt, muss die Zeit zeigen), habe ich eigentlich nichts zu bemängeln, zumal in der kurzen Zeit, in der ich bei Lendico angemeldet bin, auch schon einiges an der Oberfläche verbessert wurde. Ebenso bei den Konditionen, so dass nun etwa auch nur einjährige Kreditlaufzeiten möglich sind, was mich natürlich vor allem als Anleger freut, der sein Geld ja sonst jahrelang nicht wiedersieht. Kleiner Tipp also an dieser Stelle an die Kreditnehmer (bei denen die langfristigste Option, fünf Jahre, die beliebteste zu sein scheint): Eine kürzere Laufzeit dürfte die Chancen, den Kredit tatsächlich zu bekommen, deutlich steigern (solange natürlich das Verhältnis „Verfügbares Geld pro Monat : Monatliche Rate“ noch im Rahmen bleibt, aber darauf sollte der Kreditnehmer ja schon im eigenen Interesse natürlich ohnehin zu allererst achten).

Ausblick

Noch nicht näher befasst habe ich mich dagegen mit zwei anderen Konzepten der Crowd-Finanzierung, die ich von der Idee her aber für ebenso interessant halte wie das klassische Crowd-Lending. Nein, ich meine nicht das omnipräsente Crowdfunding bei Kickstarter & Co, wo ich mit meinem Kapital im Wesentlichen dazu beitrage, dass ein spannendes Projekt umgesetzt wird. Sondern zum einen Microlending, das – je nach konkreter Umsetzung natürlich – ganz ähnlich wie das hier vorgestellten Peer-2-Peer-Lending funktioniert, nur dass ich dabei keinen 10.000-Euro-Kredit finanziere, mit dem jemand seine Kreditkartenschulden umschulden will, sondern einem peruanischen Bergbauern die 100 Euro zukommen lasse, die er für die Anlage eines vernünftigen Bewässerungssystems braucht. Vielleicht als Geldanlage nicht so lukrativ, aber im schlimmsten Fall hat man da halt einem Menschen und seiner Familie in einem Entwicklungsland umsonst geholfen, also was soll’s. Die andere Sache ist Crowdinvesting, wo es Anlegern möglich ist, tatsächliche Anteile an aufstrebenden Startup-Unternehmen zu erwerben und damit in ein Gebiet vorzustoßen, das bislang reichen Business Angels und großen Venture-Kapital-Firmen vorbehalten war, die dann etwa bei einem Börsengang oder dem Verkauf an Facebook, Apple oder Google fett abgesahnt haben. Das geht dann natürlich auch mit einem entsprechend großen Risiko daher und ist ungleich komplizierter als das mit den Peer-to-Peer-Krediten, wo nach kurzer Lektüre einer FAQ-Seite den ersten Investments in drei Mausklicks kaum etwas im Wege steht.
Ich werde beide Möglichkeiten im Auge behalten.

Schlusswort

Den berühmt-berüchtigten Schufa-freien Kredit gibt es auch bei Lendico & Co nicht (schließlich wollen auch private Anleger ihr Geld am Ende wieder zurück), aber vielleicht findet der Kreditnehmer in spe hier und da ein offeneres Herz in der Crowd als bei den kühl berechnenden Bankern.
Auch die Peer-to-Peer-Plattformen nehmen für ihre Dienste Gebühren und die einzelnen Peers kollektiv Zinsen, aber wenn damit keine Prestigegebäude in Frankfurt und Millionenboni der Vorstände finanziert werden, spart am Ende (hoffentlich) der Verbraucher, und wer sein Geld gewinnbringend anlegen möchte, hat mit Crowdfunding die Chance, damit Träume zu realisieren und echte Probleme zu lösen, statt etwa in Fantasiewerte wie Aktien oder überbewertete Edelmetalle zu investieren und damit hauptsächlich die Finanzindustrie ein Stück weiter anzukurbeln. Ich bin von der Idee überzeugt.

Am Ende übernimmt die Kreditabwicklung auch bei Lendico aus rechtlichen Gründen übrigens doch wieder eine Bank. Aber mal ehrlich, so böse sind die auch wieder nicht.

Nachtrag 30. August 2015

Ich kann potentiellen Anlegern Lendico nicht mehr guten Gewissens empfehlen. Nach mehreren tausend Euro Investment bin ich schon vor einem halben Jahr zu dem Fazit „Vollkommen unprofessionelle Bude“ gekommen – und seither hat sich da nichts gebessert. Weitere Ausführungen spare ich mir und verweise auf die gesammelten Anlegererfahrungen unter http://www.p2p-kredite.com/diskussion/lendico-f19.html.


  1. * Sollen das meinetwegen diese Artikel übernehmen, die freilich nur eine kleine Auswahl darstellen:

  2. ** Lendico“ ist ein Affiliate-Link, der mir eine Provision von Lendico einbringt, wenn ein Leser ihm folgt und daraufhin als neuer Anleger oder Kreditnehmer bei Lendico aktiv wird. Für den Leser bringt ein solcher Link keine Nachteile (etwa Mehrkosten, Verpflichtungen, etc.) mit sich. Der Artikel selbst ist eine aus freien Stücken formulierte und veröffentlichte Meinungsäußerung meinerseits und wurde von Lendico nicht beauftragt, vorgegeben, beeinflusst oder autorisiert. Den Link habe ich gesetzt, weil ich Lendico für eine gute Sache halte, der ich gerne mehr Aufmerksamkeit wünschen würde (im Umkehrschluss ist deswegen auch der Auxmoney-Link kein Affiliate-Link, denn meine Empfehlung an den geneigten Leser ist eben Lendico und nicht Auxmoney). Wenn ich dabei noch etwas Geld verdienen kann, nehme ich das natürlich gerne mit. Der geneigte Investor oder künftige Kreditnehmer dürfte das, so nehme ich an, verstehen…